Sunday, March 30, 2008

Silly Sunday

In unserer neuen Kolumne 'Silly Sunday' wollen wir die interessanteste Meldung des Sonn-Tages reflektieren. Heute müssen wir nicht lange diskutieren, welche Meldung das Rennen macht. Wolfgang macht es uns - wieder einmal - leicht.

Doch heute ist unser Innenminister nicht Täter, sondern Opfer. Ja, auch wir empfinden spontan Mitleid. Der Chaos Computer Club e.V. hat in der neuesten Ausgabe seiner Vereinszeitschrift 'Datenschleuder' eine Gebrauchsanweisung zum Herstellen fremder Fingerabdrücke veröffentlicht. Als kleines Extra erhält man als Vereinsmitglied außerdem den Fingerabdruck von Wolfgang Schäuble zum Sammeln (und Verwenden?). (In den nächsten Ausgaben gibt es weitere prominente Fingerabdrücke - auch zum Sammeln.) Aber unser Mitleid ist gar nicht angebracht, denn der Innenminister nimmt es erst einmal gelassen. Sein Fingerabdruck sei kein Geheimnis, den könne jeder haben, er selbst habe nichts zu befürchten, teilte er Spiegel online mit. Wir sind zunächst beeindruckt darüber, wie Wolfgang auch hier selbstsicher und souverän sein Der-redliche-Bürger-hat-nichts-zu-befürchten-egal-wie-
sehr-
der-Staat-in-seine-Privatsphäre-eindringt-Argument anführt. Ein wenig weniger selbstsicher wolle man aber doch prüfen, ob man gegen die Aktion des Chaos Computer Clubs juristisch vorgehen wolle und könne. Vermutlich will man, wenn man kann.

Nun aber zu der spannenden Frage: Wie mache ich einen fremden Fingerabdruck zu meinem eigenen? Der Chaos Computer Club hat das schon im Oktober 2004 erklärt. Haben wir verpasst. Dafür hoffen wir nun, die Botschaft weiter zu verbreiten. Erster Schritt zur Herstellung einer Fingerabdruckattrappe: einen geeigneten Fingerabdruck finden. Besonders gut erhaltene Fingerabdrücke findet man auf Gläsern, Türklinken oder Hochglanzpapier (also von nun an die aktuelle Vogue oder GQ besser nicht mehr in der U-Bahn liegen lassen). Hat man den geeigneten Abdruck gefunden, muss man ihn sichtbar machen. Dazu tropft man eine kleine Menge Sekundenkleber in einen Flaschenverschluss und stülpt diesen über den Abdruck. Das ausgasende Cyanoacrylat läßt die Fettrückstände des Fingerabdrucks zu einer festen weißen Substanz werden. Davon dann bitte mit der Digitalkamera ein Foto machen, dieses ggf. noch nachbearbeiten und schon hat man einen fertigen fremden Finegrabdruck im Computer. Wenn man diesen dann mit einem Laserdrucker auf eine Folie druckt, hat man ein Fingerabdrucknegativ. Auf das Negativ ist im nächsten Schritt eine dünne Schicht Holzleim aufzutragen. Diese trocknen lassen und auf Fingergröße zurecht schneiden. Fertig ist die Fingerabdruckattrappe. Wenn man nun die Attrappe mit ein wenig Geschick und Maskenkleber auf den entsprechenden eigenen Finger klebt, kann es los gehen. Die neue Identität ist fertig.
Für alle, die es lieber anschaulicher wollen, gibt es hier ein Video zur Bastelanleitung oder hier die Anleitung mit Bildern.

Angeblich sicherer soll er sein, unser neuer Reisepass mit Fingerabdruck. Und uns vor den Gefahren des bösen Terrorismus bewahren. Es ist uns ohnehin schon länger nicht klar, wie der Fingerabdruck im Reisepass den Terror aus dem Land halten soll. (Vielleicht will uns das mal jemand erklären?) Jetzt wird es jedenfalls noch unglaubwürdiger.

Aber wer denkt, dass so ein fremder Fingerabdruck nur an der Grenze sinnvoll sein kann, der denkt nicht weit genug. Auch die einfache inländische Kriminalität bietet hier Anwendungsbereiche. Man stelle sich nur mal vor, dass jemand, der einen Einbruch begehen will (etwa in einen Juwelierladen, denn der Aufwand muss sich ja lohnen), zufällig Zugriff auf die AFIS-Datenbank des BKA erhält und sich für jeden Finger einen Fingerabdruck einer anderen Person bastelt. Der Einbrecher hätte dann also 10 Identitäten und die Polizei hätte alle Hände voll zu tun. Das Basteln gibt ganz neue Möglichkeiten an die Hand... Und alles nur, weil Wolfgang sich für den Fingerabdruck im Reisepass stark gemacht hat und so den Chaos Computer Club gereizt hat, der nun die Bastelanleitung für Fingerabdrücke publik macht.

Doch auch kleinere Straftaten, möglicherweise sogar solche unter der Bagatellgrenze, sind denkbar. Edeka bietet in Deutschland schon seit einiger Zeit in einigen Filialen das Bezahlen per Fingerabdruck an. Wenn das kein Fall für unseren Hobbybastler ist...
ARD plusminus berichtete schon am 27. November 2007, wie das Fingerabdruck-Einkaufsystem von Edeka überlistet werden kann. Es wurde einfach der Fingerabdruck eines bereits registrierten Kunden nachgebildet und vom Fälscher zum Einkaufen benutzt. Die Rechnung bezahlte der registrierte Kunde. Die Reporter werfen die berechtigte Frage auf, was wohl passieren wird, wenn man demnächst auch mit dem Fingerabdruck Geld abheben kann.
Der Hersteller des Fingerabdruck-Systems, das bei Edeka verwendet wird, erklärt uns seine heile Welt so: "Es ist immer noch die sicherste Variante, mit der sie bezahlen können. Da sind jede Menge Sicherheitsschwellen eingezogen, die verhindern, dass es zur mehrfachen Nutzung kommt. Das alles zusammen führt dazu, dass ich ganz beruhigt sagen kann, das System ist sicher, und auch als Firma dafür einstehen kann, dass Zahlungen, die unberechtigt stattfinden, zurückgebucht werden, weil es gab bisher noch keine." Doch, eben gezeigt. Den Missbrauch ihres Fingerabdrucks müssen natürlich die Kunden beweisen.

Wir sind nicht überzeugt und halten das Bezahlen mit Bargeld für die sicherste Methode.

2 comments:

Daniele said...

Brilliant! Sehr schoen geschrieben..und die Gebrauchsanweisung ist sicherlich einmal nuetzlich in Zukunft ;) Heathrow T5 hat angeblich noch nicht genug Sorgen und zieht auch den Fingerabdruck als Sicherheitsvorkehrung in Betracht. Na ganz toll.

T. and little D. said...

Ja, das macht uns allen Mut ;-) Und verstärkt unser Vertrauen in BAA und T5. Zum Glück sind wir von T3 gefolgen... Wir werden demnächst mal unsere Fingerabdrücke tauschen. Ich werde berichten.