Monday, December 17, 2007

A child of our time

- Konzertkritik von little D. -

Um in der Vorweihnachtszeit auch mal zur Ruhe zu kommen, haben wir schon Anfang Oktober Karten für ein Konzert im Barbican gekauft. Wir mögen den herausragenden, charmanten chinesischen Pianisten Lang Lang sehr und versuchen, wann immer es geht, eines seiner Konzerte zu besuchen (was uns immerhin etwa zweimal pro Jahr einen tollen Abend beschert; einer der Vorteile, wenn man in London lebt).


Gestern also spielte das London Symphony Orchestra unter der Leitung von Sir Colin Davis zwei Stücke von Michael Tippett (1905 - 1998). Wir sind nicht so sehr begeistert von moderner klassischer Musik, beim Kartenkauf ist uns gar nicht aufgefallen, dass es sich bei Tippett um einen Komponisten des 20. Jahrhunderts handelt. Unser Glück, sonst hätten wir das Konzert vielleicht nicht besucht.
Zuerst wurde ein Piano Concerto gespielt mit Lang Lang am Flügel. Das war bemerkenswert schön, aber nicht atemberaubend schön.


Nach der Pause stand "A Child of Our Time" auf dem Programm. Hier könnt Ihr eine kleine Kostprobe hören: (Es ist nur ein kleiner Ausschnitt, der eine Ahnung vermittelt. Unglaublich, was man bei You tube alles findet... ALLES!)



Tippett hat "A Child of Our Time" zwischen 1939-41 komponiert. Es ist ein Orchesterstück mit Chor und 4 Solosängern, die folgende (authentische) Geschichte erzählen: 1938 wurde in Paris ein deutscher Diplomat von einem polnischen Juden aus Verzweiflung und Wut über die Judenverfolgung und die Verfolgung seiner Familien durch die Nazis erschossen. Dieses Ereignis (u.a.) führte zur Reichspogromnacht am 9. November, die als organisierter Pogrom den Übergang von der administratitiven und legislativen Diskriminierung zur offenen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und dem Holocaust markiert. Tippett, selbst Pazifist (wofür er 1943 inhaftiert wurde), war so entsetzt, dass er "A Child of Our Time" komponierte. Dieses Stück war sein erstes großes öffentliches Statement als Künstler.

"The world turns on its dark side.
It is winter."

Damit beginnt der Chor. (
Der London Symphony Chorus war toll, auch die Solisten waren großartig. Ich hatte mehrfach Gänsehaut.)

"Now in each nation there were some cast out by authority and
tormented, made to suffer for the general wrong.
Pogroms in the east, lynching in the west;
Europe brooding on a war of starvation,
And a great cry went up from the people."

Das Stück ist gewaltig, einfühlsam, bewegend. Am Ende etwas zu hoffnungsvoll, schaut man sich den Lauf der Geschichte an.
Der Abend war anders, als wir es erwartet hatten.

1 comment:

Harald said...
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